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Weg frei für EU-weit einheitliches Patentgericht

Juni 2021

Start des einheitlichen EU-Patents in greifbarer Nähe – Verfassungsgericht verwirft Eilanträge.

BVerfG, Beschluss des zweiten Senats vom 23. Juni 2021

Ausgangslage

Eigentlich sollte die EU-Verordnung über das europäische Einheitspatent bereits 2017 in Kraft getreten sein. Hierzu hätten mindestens 13 Mitgliedsstaaten, darunter die drei anmeldestärksten Mitgliedsstaaten Frankreich, Großbritannien und Deutschland, dem 2013 geschlossenen Übereinkommen über ein EU-weit einheitliches Patentgericht (EPGÜ) beitreten müssen.

Nachdem zunächst der Brexit den ehrgeizigen Zeitplan ins Wanken gebracht hatte, schienen mit dem Beitritt Großbritanniens zum EPGÜ noch vor dem Austritt aus der EU und der Verabschiedung des erforderlichen Zustimmungsgesetzes durch den Deutschen Bundestag im März 2017 die Probleme gelöst.

Die Überraschung folgte, als das Bundesverfassungsgericht aufgrund einer gegen den Beitritt der Bundesrepublik gerichteten Verfassungsbeschwerde die Unterzeichnung des Zustimmungsgesetzes durch den Bundespräsidenten zunächst stoppte. Es sollte bis zum 20. März 2020 dauern, bis das Verfassungsgericht in einer für viele überraschenden Entscheidung das Zustimmungsgesetz zum EPGÜ wegen formaler Fehler für nichtig erklärte, da dieses nicht mit einer Zweidrittelmehrheit zustande gekommen war.

Bundestag und Bundesrat beschlossen daraufhin Ende letzten Jahres das Zustimmungsgesetz mit unverändertem Wortlaut noch einmal –diesmal mit der erforderlichen Stimmenmehrheit. Doch erneut wurden Verfassungsbeschwerden gegen das Gesetz eingelegt und die Unterzeichnung des Gesetzes ausgesetzt. Der Ausgang des Verfahrens schien offen, da das Verfassungsgericht sich in seiner ersten Entscheidung nicht mit den inhaltlichen Bedenken auseinandergesetzt hatte, jedoch Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des EPGÜ hatte aufkommen lassen.

Entscheidung des BVG zum europäischen Einheitspatentgericht
Entscheidung

Diese Zweifel hat das Bundesverfassungsgericht nun ausgeräumt, indem es die Eilanträge, mit denen der weitere Beitrittsvorgang der Bundesrepublik gestoppt werden sollte, abgelehnt hat. Eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren steht zwar noch aus. Nach Ablehnung der Eilanträge werden der Klage jedoch keine Chancen mehr eingeräumt.

Folgen für die Praxis

Damit ist nun der Weg frei für den Beitritt der Bundesrepublik, womit dem Start des einheitlichen EU-Patents dann nichts mehr im Wege steht.

Daran ändert auch der Austritt Großbritanniens aus der EU nichts, da Italien als in die Liste der drei anmeldestärksten Länder aufgerücktes Land dem Übereinkommen bereits beigetreten ist. Die Zuständigkeit des ursprünglich in London geplanten Gerichtsstandortes werden übergangsweise die beiden anderen Kammern in Paris und München übernehmen, bis man sich auf einen neuen dritten Standort einigen kann. Im Gespräch sind Italien (Mailand), Frankreich und die Niederlande.

Bereits im Herbst wird mit der formalen Ratifizierung des Übereinkommens durch die Bundesrepublik gerechnet. Für Anfang 2022 geht man von einem Start der vorläufigen Phase aus. Diese Phase soll acht Monate dauern und den Beginn der sogenannten. „Sunrise Period“ einläuten, innerhalb der Opt-Out-Erklärungen eingereicht werden können.

Mit einem solchen Opt-Out werden Patentinhaber in einer Übergangszeit von 7 Jahren die Wahl haben, ausgewählte Patente von dem neuen Patent- und Gerichtssystem auszunehmen. Denn eine Teilnahme kann zwar Kosten für Inkraftsetzung und Aufrechterhaltung der Patente in der EU verringern, jedoch zu Lasten erheblich aufwändigerer Verfahren im Falle einer Nichtigkeits- oder Verletzungsklage. Die Entscheidung über ein Opt-Out muss daher gut bedacht werden. Wir werden hierüber beizeiten in einem gesonderten Beitrag berichten.

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Stefan Urlichs

Stefan Urlichs Patentanwalt

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