ChatGPT: Patentanmeldungen leicht gemacht?
Kann ChatGPT den Patentanwalt bei seiner Arbeit unterstützen? Mit diesem Beitrag möchten wir unsere ersten Erfahrungen teilen – insbesondere mit denjenigen, die bisher nur wenige Berührungspunkte mit dem Bereich Intellectual Property haben und sich die Frage stellen, worin die Arbeit eines Patentanwalts besteht und wie/ob ChatGPT ihn dabei entlasten kann.
Aus dem Bereich Intellectual Property mehren sich in jüngster Zeit Beiträge, die sich damit befassen, welche Rolle künstliche Intelligenz in der Tätigkeit eines Patentanwalts künftig spielen wird. Im Fokus steht dabei zweifelsohne der KI-basierte Chatbot “ChatGPT”, der mit sogenannten Prompts gefüttert werden kann und kurz darauf eine automatisiert generierte Antwort ausgibt.
Erstaunlich hierbei ist, dass es keinerlei Beschränkung zu geben scheint, auf welche Art die Anfragen formuliert sein müssen oder in welchem Gebiet sie liegen sollten. Auf der einen Seite seiner Nutzer sind Stimmen zu vernehmen, die von der hohen sprachlichen Qualität der generierten Antworten schwärmen. Auf der Gegenseite äußern Kritiker insbesondere Bedenken über deren Verlässlichkeit.
Bei LBP hatten wir in den letzten Wochen und Monaten die Möglichkeit, uns selbst ein Bild von ChatGPT zu machen um zu beurteilen , ob und welche Rolle dieses Werkzeug in unserem beruflichen Alltag einnehmen wird. Mit diesem Beitrag möchten wir unsere ersten Erfahrungen teilen – insbesondere mit denjenigen, die selbst bislang nur wenige Berührungspunkte mit dem Bereich IP haben und sich die Frage stellen, worin die Arbeit eines Patentanwalts besteht und wie ChatGPT ihn unterstützen kann. Zwecks Anschaulichkeit soll dies am Beispiel einer der Kernaufgaben eines Patentanwalts verdeutlicht werden: der Ausarbeitung einer Patentanmeldung.
@ ChatGPT: Formuliere einen Patenanspruch für… ja, für was eigentlich?
Eine Patentanmeldung fußt im Kern auf den sogenannten Patentansprüchen. Diese definieren den Schutzbereich, der mit Erteilung eines Patents entstehen und seinem Inhaber ein Alleinstellungsrecht gewähren soll. Bei der Formulierung der Patentansprüche ist es – vereinfacht gesagt – also die Aufgabe, einen technischen Sachverhalt zu erfassen und in Worte zu fassen. Dabei gilt es insbesondere, den Kern einer Erfindung zu erkennen und die Patentansprüche so zu formulieren, dass die darin genannten technischen Merkmale und deren Beziehung zueinander einem übergeordneten, erfinderischen Gedanken gerecht werden. Umgekehrt muss also vermieden werden, dass der Schutzbereich alleine auf eine einzelne, konkrete Ausführungsform der Erfindung reduziert wird. Dadurch wird es einem Wettbewerber erschwert, aus dem Schutzbereich eines erteilten Patents zu gelangen.
Was zunächst einfach klingt, stellt häufig einen Balanceakt dar, bei dem verallgemeinernde und hinreichend konkrete Begriffe so platziert werden müssen, damit der Schutzbereich einerseits nicht über die eigentliche Erfindung hinausgeht und andererseits auch nicht unnötig einschränkt. Versetzt man sich nun in eine Situation, in der ChatGPT einen Patentanspruch generieren soll, steht man unweigerlich vor der Frage, welche Informationen der Chatbot erhalten sollte, um einen solchen Balanceakt erfolgreich zu meistern. Die sich ergebende Problematik wird an dem folgenden – zugegebenermaßen etwas plakativen – Beispielprompt und der Antwort von ChatGPT deutlich.
“Formuliere einen Patentanspruch für einen Tisch mit einer Tischplatte und vier Beinen”
Patentanspruch:
- Tisch mit einer Tischplatte und vier Beinen, wobei die Tischplatte eine horizontale Oberfläche aufweist und die vier Beine vertikale Stützen sind, dadurch gekennzeichnet, dass jede der vier Beine mit einer Befestigungsvorrichtung versehen ist, die es ermöglicht, das Bein flexibel an der Tischplatte anzubringen, wodurch der Tisch in Bezug auf seine Stabilität und Höheneinstellung an unterschiedliche Anforderungen angepasst werden kann.
Wie anhand der generierten Antwort zu erkennen ist, scheint ChatGPT grundsätzlich zwar in der Lage zu sein, einen Patentanspruch zu formulieren, der sich unzweifelhaft auf einen Tisch mit einer Tischplatte und vier Beinen richtet. Allerdings ist auf den ersten Blick auch gleich erkennbar, dass Merkmale hinzugekommen sind, die überhaupt nicht Teil des Prompts waren. Darüber hinaus hat der Chatbot eine für Patentansprüche gängige Einteilung in einen sogenannten Oberbegriff und ein Kennzeichen vorgenommen, die durch den Einschub “dadurch gekennzeichnet, dass” voneinander getrennt sind. Der Oberbegriff gibt an, welche Merkmale aus dem Stand der Technik bekannt sind. Das Kennzeichen hingegen gibt wieder, worin sich der Erfindungsgegenstand von dem Stand der Technik unterscheidet. Vor diesem Hintergrund ist es also überraschend, dass der ChatBot nicht alleine Merkmale „dazuerfindet“, sondern diese Merkmale auch noch als erfindungsbegründend darstellt.
Überträgt man diese Beobachtungen auf einen realistischeren Anwendungsfall, wäre wohl davon auszugehen, dass die Qualität der Antworten steigen muss, wenn die Prompts an den Chatbot konkreter formuliert und idealerweise auch schon die eigenen Vorstellungen über die Form des Anspruchs vorgegeben werden. Allerdings stellt sich unweigerlich die Frage, worin der Vorteil des Chatbots noch liegen soll, wenn man die relevanten Merkmale einer Erfindung schon im Vorfeld selbst identifiziert und idealerweise auch so gefiltert haben muss, dass der Patentanspruch die gewünschte Form erhält. Belässt man es hingegen bei einem breit gefassten Prompt, besteht wohl die Gefahr, dass der Chatbot selbst erfinderisch wird und die eigentliche Erfindung mit weiteren Merkmalen anreichert, die den Schutzbereich einschränken und auch rechtlich relevante Aspekte einfließen lässt.
@ ChatGPT: Fasse zusammen
Neben den Ansprüchen enthalten die Anmeldeunterlagen einer Patentanmeldung unter anderem auch einen einleitenden Teil, der eine Erläuterung des technischen Gebietes sowie die Benennung eines konkreten Standes der Technik vorsieht. Hierbei kann der Chatbot seine Stärken durchaus ausspielen – jedenfalls liefert er auf die Anfrage, in welchem technischen Gebiet eine bestimmte Vorrichtung – etwa der plakativ eingeführte Tisch – angesiedelt ist, durchaus plausible Antworten. Auch die Anfrage, den deutschsprachigen Wikipedia-Artikel zu “Tisch”, als Stand der Technik zusammenzufassen, verarbeitet der Chatbot reibungslos – scheinbar jedoch nur zum Stand des Jahres 2021, da die Trainingsdatenbasis zur Zeit nur Wissen bis zu diesem Zeitpunkt erfasst.
Die Gegenüberstellung der Ergebnisse bei der Verfassung eines Patentanspruchs und des einleitenden Teils einer Patentanmeldung zeigt, dass die Qualität der Antworten des Chatbots unmittelbar von der Qualität der Anfragen abhängt und auf welche Datenbasis er zugreifen kann. Ohne sich mit der Frage zu befassen, wieso dies so ist, muss aus Anwendersicht zusammenfassend daher gefolgert werden: Eine Schwäche des Chatbots besteht darin, dass er immer nur so schlau ist, wie die Anfrage, die er erhält. Seine Stärke besteht hingegen zweifelsohne in der Kreativität, mit der die Antworten generiert werden, sowie der dabei erreichbaren Textqualität. Deshalb kann die Frage danach, ob und welchen Nutzen Chatbots in der Zukunft für Patentanwälte haben werden, wohl mit einer branchenüblichen Aussage beantwortet werden: Es kommt darauf an.
Stärken und Schwächen
Für die Ausarbeitung von Patentansprüchen hat es den Anschein, dass diese auch weiterhin von Patentanwälten und hauptsächlich unter Berücksichtigung ihrer persönlichen Erfahrungen mit ihren Mandanten und deren Erfindungen erstellt werden sollten, um den gewünschten Schutzbereich formen zu können. Nichtsdestotrotz kann der Chatbot wohl dennoch einen Nutzen für die Mandanten generieren, indem zum Beispiel vergleichsweise einfache Teile in kürzerer Zeit erstellt werden und gleichzeitig zur Qualität der Anmeldeunterlagen beitragen.
Der Elefant im Raum
Zumindest in Zusammenhang mit der Ausarbeitung von Patentanmeldungen muss zudem wohl Klarheit in einem bislang noch nicht thematisierten, nichtsdestotrotz hoch relevanten Aspekt geschaffen werden, bevor KI-basierte Chatbots weiter Einzug in den Arbeitsalltag des Patentanwalts halten können – die Datensicherheit. Es stellt sich insbesondere die Frage, ob eine Gefahr darin besteht, dass eine vertrauliche Information zu einer Erfindung durch die Eingabe in ChatGPT auf unerwünschte Weise weiterverarbeitet wird. Hierzu scheint es wohl eine gute und eine schlechte Nachricht zu geben. Die gute Nachricht lautet, dass in den Einstellungen von ChatGPT durchaus die Möglichkeit besteht, die Weiterverarbeitung der Prompts zu Trainingszwecken der KI-Modelle zu beschränken. Die schlechte Nachricht ist, dass die Datenschutzbestimmungen des Dienstes dennoch Nutzungszwecke vorsehen, die eine Weitergabe der eingegebenen Informationen nicht ausschließen lassen – etwa zu Forschungszwecken sowie zur Entwicklung neuer Dienste.
In Zusammenhang mit Patentanmeldungen ist die mangelnde Transparenz in Bezug auf die Weiterverarbeitung von Daten durchaus als kritisch zu betrachten. Jedenfalls scheint ChatGPT in dieser Hinsicht sehr selbstkritisch zu sein, denn auf den Prompt, welche Nachteile die Nutzung von ChatGPT bei der Ausarbeitung einer Patentanmeldung hat, äußert der Chatbot selbst Bedenken in Zusammenhang mit Datenschutz, Vertraulichkeit und möglichen Sicherheitslücken.
Ohne falsche Naivität ist dennoch damit zu rechnen, dass KI-basierte Tools in Zukunft wohl mehr und mehr Tätigkeiten des Patentanwalts erleichtern werden. Womöglich braucht es derzeit ja nur eine anwendungsbezogene Schnittstelle, über die die Anfragen mit einer hinreichenden Informationsdichte eingegeben werden können, um eine wirklich brauchbare Antwort erhalten zu können. Sollte es zudem eine Möglichkeit geben, die Rahmenbedingungen für die Weitergabe von Informationen auf verlässliche Weise und individuell festlegen zu können, würde der Weg für den effizienten Einsatz von ChatGPT im Bereich IP sicherlich weiter geebnet.
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Dietrich Berger
Patentanwalt