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Amazon hat das Nachsehen: EuGH entscheidet zugunsten von Louboutin

Januar 2023

Diese Urteil ist bahnbrechend für Markeninhaber, den Verbraucherschutz und das EU-Markenrecht. Wiederholt haben Markeninhaber in der Vergangenheit versucht, Online-Marktplätze für Markenverletzungen, die auf ihren Plattformen stattfinden, haftbar zu machen. Der Schuhdesigner Christian Louboutin hatte nun gegen Amazon vor dem EuGH Erfolg.

Louboutin at Amazon
Louboutin at Amazon marketplace
Louboutin at Amazon
Sachverhalt

Der Online-Marktplatz Amazon verkauft sowohl direkt in eigenem Namen und zum eigenen Nutzen, aber auch indirekt für Drittanbieter, denen er Unterstützung bei der Präsentation von Werbung sowie Lagerung und Versand von Waren anbietet. Die Ergebnisse von Suchanfragen auf den Amazon-Plattformen erscheinen dabei unabhängig von der Herkunft der Produkte. Folglich ist es dem Verbraucher nur schwer möglich zu unterscheiden, ob diese direkt von Amazon oder von einem Dritten angeboten werden.

Markeninhaber haben in der Vergangenheit wiederholt versucht für Markenverletzungen Dritter auf Plattformen der Online Marktplätze Haftung durch diese vor dem EuGH zu erstreiten. Im Mittelpunkt der Fragestellung steht die Auslegung des Begriffs „benutzen“ i.S.v. Artikel 9 Absatz 2 der Verordnung 2017/1001, der in der EU-Markenverordnung nicht definiert ist. Dieser Begriff – so stellte der EuGH bereits fest – setze jedoch ein aktives Verhalten und die unmittelbare oder mittelbare Kontrolle über die Handlung voraus, die die Benutzung darstelle. Benutzungsformen werden zwar in Art. 9 Abs. 3 der Verordnung aufgelistet, diese seien jedoch nicht abschließend zu verstehen.  

Nur wenn der Betreiber der Plattform die rechtsverletzende Marke benutze, sei dieser auch für die Rechtsverletzung haftbar. So entschied der EuGH bisher wie folgt:

  • In der Rechtssache L’Oréal/eBay (C-324/09) schloss der Gerichtshof die Haftung von eBay für von Drittanbietern online geschaltete Anzeigen aus. Maßgeblich für diese Urteil war, dass eBay als reiner Online-Marktplatz, der lediglich als Vermittler und nicht als Verkäufer oder Vertreiber der rechtsverletzenden Waren auftrat, zu sehen sei.
  • In der Rechtssache Coty (C-567/18), an der ebenfalls Amazon beteiligt war, hatte der Gerichtshof der Europäischen Union ebenfalls Artikel 9 Absatz 2 der EU-Markenverordnung auszulegen. Der BGH legte kurz-gefasst die Frage vor, ob eine Person die markenverletzenden Waren besitze, die er für einen Dritten lagere, wenn nicht sie selbst, sondern allein der Dritte beabsichtigte, die Ware anzubieten oder in Verkehr zu bringen. Auch hier hatte der EuGH die Haftung von Amazon ausgeschlossen mit der Begründung, der Online-Marktplatz „benutze“ das geschützte Zeichen i.S.v. Art. 9 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung 2017/1001 nicht, wenn er lediglich rechtsverletzende Waren lagere. Diese Ergebnis ist klar der eng gefassten Vorlagefrage des BGH geschuldet.

Im vorliegenden Fall wirft der französische Designer Christian Louboutin dem Online-Marktplatz Amazon eine einheitliche und dadurch missverständliche Darstellung der Ergebnisse und Produkte im Rahmen von Markenverletzungsklagen vor und erhob zwei Klagen gegen Amazon beim Tribunal d’arrondissement de Luxembourg (Rechtssache C‑148/21) und beim Tribunal de l’entreprise francophone de Bruxelles (Rechtssache C‑184/21). Beide Gerichte beschlossen, die Verfahren – bis zur Beantwortung der vom EuGH zusammengefassten Fragen – auszusetzen.

In der Vorlagefrage sollte nun ausführlich geprüft werden, ob Art. 9 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung 2017/1001 dahin auszulegen sei, dass davon ausgegangen werden kann, dass der Betreiber einer Online-Verkaufsplattform, die neben den eigenen Verkaufsangeboten dieses Betreibers auch einen Online-Marktplatz umfasst, ein Zeichen selbst benutzt, wenn Drittanbieter mit diesem Zeichen versehene Waren auf dem betreffenden Marktplatz zum Verkauf anbieten. 

Die vorlegenden Gerichte fragen sich insbesondere, ob insoweit relevant sei, dass dieser Betreiber die auf seiner Plattform veröffentlichten Angebote einheitlich präsentiere, indem er die Anzeigen für die im eigenen Namen und für eigene Rechnung verkauften Waren zusammen mit den Anzeigen für die von Drittanbietern auf dem betreffenden Marktplatz angebotenen Waren einblende, dass er bei all diesen Anzeigen sein eigenes Logo als renommierter Vertreiber erscheinen lasse und dass er den Drittanbietern im Rahmen des Vertriebs ihrer Waren zusätzliche Dienstleistungen anbiete, die darin bestünden, sie bei der Präsentation ihrer Anzeigen zu unterstützen sowie die auf dem fraglichen Marktplatz angebotenen Waren zu lagern und zu versenden. In diesem Zusammenhang stellen sich die vorlegenden Gerichte auch die Frage, ob nicht auch die Wahrnehmung der Nutzer der betreffenden Plattform zu berücksichtigen sei.

Entscheidung des EuGH

Der EuGH hat in seinem Urteil nun Leitlinien zusammengestellt, nach denen die Haftung  eines Online-Marktplatzes zu bewerten sei:

  1. Bei dem Betreiber eines Marktplatzes für Drittanbieter kann davon ausgegangen werden, dass er das mit einer Marke identische Zeichen in der Werbung eines Drittanbieters benutzt, wenn der Durchschnittsverbraucher den Eindruck gewinnen könnte, dass dieser Betreiber die rechtsverletzenden Waren in seinem eigenen Namen und auf eigene Rechnung vertreibt. Die Bereitstellung des Marktplatzes als solche stellt jedoch keine Benutzung durch den Betreiber dar; eine markenverletzende Benutzung setzt eine Benutzung in der eigenen kommerziellen Kommunikation des Verletzers voraus.
  2. Relevante Tatsachen sind die konsequente Darstellung der auf der Website von Amazon veröffentlichten Verkaufsangebote, die Darstellung der eigenen Anzeigen neben denen von Drittanbietern und die Darstellung des eigenen Logos als renommierter Einzelhändler auf allen diesen Anzeigen. 
  3. Die Anzeigen müssen so präsentiert werden, dass ein Nutzer ohne weiteres zwischen den Angeboten des Marktplatzbetreibers einerseits und denen von Drittanbietern andererseits unterscheiden kann 
  4. Marktplatzbetreiber müssen eine „klare Unterscheidung“ zwischen den Marktplatzdiensten und der Nutzung der Marke für eigene kommerzielle Zwecke treffen 
  5. Wenn Amazon den verschiedenen Angeboten, die von Amazon selbst oder von einem Dritten stammen, ohne Unterscheidung hinsichtlich ihrer Herkunft einen Hinweis wie „bestverkaufte“, „am meisten nachgefragte“ oder „am meisten angebotene“ beifügt, insbesondere um für einige dieser Angebote zu werben, ist eine solche Darstellung geeignet, den Eindruck zu verstärken, dass die Produkte von Amazon in eigenem Namen und in eigenem Auftrag vertrieben werden 
  6. Ein weiteres Element, das zum Anschein einer Verknüpfung beiträgt, ist die Tatsache, dass Amazon Drittverkäufern zusätzliche Dienstleistungen wie die Beantwortung von Nutzeranfragen, die Lagerung und den Versand von Drittprodukten sowie die Bearbeitung von Rücksendungen solcher Produkte anbietet 
Tenor des Urteils

Es kann davon ausgegangen werden, dass der Betreiber einer Online-Verkaufsplattform, die neben den eigenen Verkaufsangeboten dieses Betreibers einen Online-Marktplatz umfasst, ein Zeichen selbst benutzt, wenn Drittanbieter dieser Marke Waren auf dem betreffenden Marktplatz zum Verkauf anbieten, sofern ein normal informierter und angemessen aufmerksamer Nutzer dieser Plattform eine Verbindung zwischen den Dienstleistungen dieses Betreibers und dem fraglichen Zeichen herstellt. 

Insoweit ist relevant, dass dieser Betreiber die auf seiner Plattform veröffentlichten Angebote einheitlich präsentiert, indem er die Anzeigen für die im eigenen Namen und für eigene Rechnung verkauften Waren zusammen mit den Anzeigen für die von Drittanbietern auf dem betreffenden Marktplatz angebotenen Waren einblendet, dass er bei all diesen Anzeigen sein eigenes Logo als renommierter Vertreiber erscheinen lässt und dass er Drittanbietern im Rahmen des Vertriebes der mit dem fraglichen Zeichen versehenen Waren zusätzliche Dienstleistungen anbietet, die u. a. darin bestehen, diese Waren zu lagern und zu versenden.

Folgen für die Praxis

Der EuGH legt in seinen viel beachteten Leitlinien fest, wann den Betreibern von Online-Marktplätzen eine Markenverletzung durch Dritte anzulasten ist und definiert ihre wachsenden Verpflichtungen und Haftungen. 

Damit ermöglicht er Markeninhaber nicht nur gegen die ursprünglichen Markenverletzer vorzugehen, sondern auch gegen die, die dabei helfen diese Produkte Online zu vertreiben. Amazon ist jetzt in der Verantwortung kann nicht weiter zuschauen, wie auf seiner Plattform Markenverletzungen stattfinden und ist gezwungen – zum Schutz der Verbraucher – zu handeln. 

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Nehmen Sie gerne Kontakt mit uns auf.

Textquelle: Urteil des EuGH vom 22.12.2022, ECLI:EU:C:2022:1016
Bildquelle: Louboutin, Amazon

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