§ 145 PatG bei erneuter Klage aus demselben Patent?
Fensterflügel vor BGH: Rohnke Winter setzt sich mit LBP gegen Klage wegen mittelbarer Patentverletzung durch
BGH, Urteil vom 3.11.2021 – X ZR 85/19 (Fensterflügel)
Sachverhalt
Die Klägerin ist Inhaberin eines am 2. April 2002 angemeldeten und am 24. Juni 2009 mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 373 672 (Klagepatent). Sie klagt erfolgreich wegen mittelbarer Patentverletzung, wodurch die Beklagte dazu verpflichtet wird, das angegriffene Mittel mit einem blickfangmäßigen Hinweis zu versehen, dass dieses nicht patentgemäß verwendet werden dürfe.
Die Beklagte ändert daraufhin ihre Verarbeitungsrichtlinie und schreibt für das Mittel eine nicht patentgemäße Verwendung vor. Auch hiergegen erhebt die Patentinhaberin Klage – erneut wegen mittelbarer Verletzung desselben Patents.
Das für die zweite Klage zuständige Landgericht weist die zweite Klage aufgrund der Rechtskraft des ersten, bereits ergangenen Urteils als unzulässig ab. Das Oberlandesgericht weist die Berufung als unbegründet zurück, lässt aber die Revision vor dem Bundesgerichtshof zu.
In der Revision beschäftigt sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit der Frage, ob ein Patentinhaber einen Verletzer mehrfach wegen gleichartiger Handlungen aus demselben Patent angreifen darf.
Entscheidung des BGH
Der Bundesgerichtshof befindet die Klage mit seinem Urteil X ZR 85/19 vom 3. November 2020 für zulässig, weist sie jedoch als unbegründet zurück.
In prozessrechtlicher Hinsicht beantwortet der Bundesgerichtshof (BGH) die Frage, ob ein Beklagter mehrfach wegen gleichartiger Handlungen aus ein und demselben Patent angegriffen werden könne. Dies ist für die Anwendbarkeit des § 145 Patentgesetz (PatG) relevant.
Die Regelung des (umstrittenen) § 145 PatG sieht vor, dass eine klagende Partei, sofern sie Inhaberin mehrerer Patente ist, diese in einem gemeinsamen Verfahren geltend machen muss, wenn dieselbe oder eine gleichartige Handlung der beklagten Partei betroffen ist. Wie in dem oben dargestellten Fall skizziert, macht die Patentinhaberin vorliegend allerdings lediglich ein Patent geltend. Daher mangelt es, entgegen dem Wortlaut des § 145 PatG, gerade an dem Vorliegen mehrerer geltend gemachter Patente.
Der BGH stellt daher fest, dass § 145 PatG auf den oben dargestellten Fall weder unmittelbar noch analog anwendbar sei. Da das Mittel mit der neuen Verarbeitungsrichtlinie nicht Gegenstand des früheren Rechtsstreits war, stehe der Zulässigkeit der erneuten Klage aus demselben Patent auch nicht die Rechtskraft eines früheren Urteils entgegen.
In materiellrechtlicher Hinsicht betrifft das Urteil des BGH die Bedeutung von Funktions- und Zweckangaben im Patentanspruch. Diese definieren den durch das Patent geschützten Gegenstand regelmäßig nur dahingehend, dass er dazu geeignet sein muss, für die im Patentanspruch genannte Funktion/Zweck verwendet zu werden. Nach Ansicht des BGH dürfen derartige Funktionsangaben und Zweckangaben in einem Anspruch für die Ermittlung des Schutzbereiches nicht ohne Weiteres ignoriert werden. Stattdessen müssen sie im Gesamtkontext des Patents kritisch geprüft werden. Hieraus kann sich eine den Schutzbereich des Patents einschränkende Auslegung einer derartigen Funktions- oder Zweckangabe ergeben.
Leitsatz
a) § 145 ZPO ist weder unmittelbar noch analog anwendbar, wenn gegen einen Beklagten wegen Verletzung desselben Patents erneut Klage erhoben wird.
b) Der Zulässigkeit einer zweiten Patentverletzungsklage kann die Rechtshängigkeit einer auf dasselbe Patent gestützten ersten Verletzungsklage oder die Rechtskraft eines in einem vorherigen Verletzungsrechtsstreit zwischen den Parteien ergangenen, auf die Verletzung desselben Patents gestützten Urteils entgegenstehen (Bestätigung von BGH, Urteil vom 21. Februar 2012 – X ZR 111/09, GRUR 2012, 485 – Rohrreinigungsdüse II).
c) Funktions- und Zweckangaben definieren den durch das Patent geschützten Gegenstand regelmäßig lediglich dahin, dass er geeignet sein muss, für die im Patentanspruch genannte Funktion und den dort genannten Zweck verwendet zu werden (Bestätigung von BGH, Urteil vom 24. April 2018 – X ZR 50/16, GRUR 2018, 1128 Rn. 12 – Gurtstraffer).
d) Bezieht sich die Funktion auf den Herstellungsvorgang eines geschützten Erzeugnisses, kann es erforderlich sein, dass sich die Funktion auch in dem fertigen Erzeugnis verwirklicht.
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Dietrich Berger
Patentanwalt